Grüner Wasserstoff, gewonnen mittels Wasserelektrolyse unter Einsatz von erneuerbaren Energien, gilt als Schlüsselelement für eine erfolgreiche Energiewende. Die Potenziale des bei der Elektrolyse ebenfalls entstehenden Sauerstoffs, insbesondere für die Wirtschaftlichkeit von dezentralen Energiesystemen, nimmt Dr. Franziska Hönig in ihrer Doktorarbeit in den Blick. Ihre Promotion beruht auf Ergebnissen des Projekts »LocalHy«, das am Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP durchgeführt wurde, und ist unter Betreuung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des ITEL – Deutsches Lithiuminstitut GmbH entstanden. Die Dissertation wurde heute mit dem Innovationspreis des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) ausgezeichnet.
Grüner Wasserstoff boomt. Schätzungen zufolge wurden zwischen 2020 und 2022 weltweit etwa 37 Milliarden US-Dollar in grüne Wasserstoffprojekte investiert. Für die vielfältigen Potenziale der Technologie war das Forschungsprojekt »LocalHy« exemplarisch: In einer Kläranlage in Heubisch (Thüringen) bauten die Projektpartner ein dezentrales Wasserelektrolysesystem auf. Den dabei unter Nutzung von Wind- und Solarenergie entstandenen Wasserstoff stellten sie einerseits als Treibstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge an einer eigens entwickelten Tankstelle zur Verfügung. Andererseits nutzten sie Wasserstoff als Energiespeicher. Im Projekt wurde ein emissionsfreier Verbrennungsmotor entwickelt, mit dem sich daraus elektrische und thermische Energie erzeugen lässt. Der Clou von »LocalHy«: Nicht nur der Wasserstoff aus der Elektrolyse wurde verwendet, sondern auch der Sauerstoff. Er wurde zur Belüftung des Belebungsbeckens der Kläranlage genutzt und unterstützte dort die Reinigungsprozesse für das Abwasser.
»Bei der Wasserelektrolyse entstehen für jedes Kilogramm Wasserstoff bis zu 8 Kilogramm Sauerstoff. Aber dieses wertvolle Kuppelprodukt wird bei Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft und insbesondere bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen noch vernachlässigt«, sagt Hönig. »Wenn man Sauerstoff mit in den Blick nimmt und attraktive Nutzungsszenarien dafür entwickelt, können Elektrolysesysteme und Power-to-Gas-Anlagen generell effizienter und über die Rentabilitätsschwelle gehoben werden. Sauerstoff könnte sogar unter bestimmten Bedingungen zum Hauptprodukt der Wasserelektrolyse werden. Es ist für mich eine große Ehre, den Innovationspreis des DWV zu erhalten und somit dem Nutzungspfad des elektrolytisch gewonnenen Sauerstoffs mehr Aufmerksamkeit zu schenken«, sagt die Wirtschaftsingenieurin.
Industriell erzeugter Sauerstoff, der meist mittels Zerlegungsverfahren aus der Umgebungsluft gewonnen wird, ist beispielsweise in der Metallproduktion und -verarbeitung ein wichtiger Rohstoff, ebenso in Raffinerien, der Papierherstellung, der Halbleiterindustrie oder der Lebensmittelbranche. Um Erlösquellen bewerten zu können, entwickelte Hönig im Rahmen ihrer Doktorarbeit eigens das »Green Hydrogen Oxygen Simulation Tool (GHOST)«, ein techno-ökonomisches Systemanalysetool, das neben dem Wasserstoffpfad auch die Sauerstoffseite in den Fokus nimmt. Dieses System erlaubt es, die Prozess- und stofflichen Parameter auf Input- und Output-Seite zu variieren und berücksichtigt unter anderem auch standortbezogene Faktoren für die Stromerzeugung, Kapitalkosten und Preise für CO2-Lizenzen. Auf Basis der Erkenntnisse aus »LocalHy« sowie weiterer Daten und Simulationen konnte sie zeigen, dass die Produktionskosten für Grünen Wasserstoff um bis zu 45 Prozent sinken können, wenn zugleich die kommerzielle Nutzung von Sauerstoff mit erschlossen wird.
»Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer CSP hat Franziska Hönig enorm wertvolle Ergebnisse erzielt. Mit viel Weitblick und Kompetenz zeigt ihre Doktorarbeit, wie das kreative Denken in Kreisläufen und der klare Fokus auf Ressourceneffizienz in einer integrierten Wasserstoffwirtschaft attraktive Lösungen für die Industrie möglich machen. Besonders freue ich mich über ihre Auszeichnung, weil die Doktorarbeit unter erschwerten Bedingungen entstanden ist, nachdem durch Covid-19 der Testbetrieb bei LocalHy eingeschränkt war«, sagt Dr. Matthias Ebert, Gruppenleiter »PV-Systeme und -Integration« am Fraunhofer CSP.
Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum, Geschäftsführer des ITEL – Deutsches Lithiuminstitut GmbH und einer der Betreuer der am 23. Februar 2023 an der MLU verteidigten Arbeit, lobt die Dissertation als »ausgesprochen integrative und multidisziplinäre Arbeit, die sehr überzeugend verschiedene Konzepte kombiniert und für die Praxis von erheblicher Relevanz ist, von technologischen Fragen über Betrachtungen der Nachfrageentwicklung bis hin zur Netzinfrastruktur – stets unter Beachtung der erforderlichen Rentabilität. Die Arbeit zeigt vielversprechende Wege auf, wie durch die Nutzung von attraktiven Nebenprodukten der Wasserelektrolyse der Übergang zu einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft beschleunigt werden kann. Ich gratuliere Franziska Hönig herzlich zum DWV-Innovationspreis!«
(9. Oktober 2024)